Brief von Papst Franziskus
An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland

(MD) Papst Franziskus hat einen Brief an das “pilgernde Volk Gottes in Deutschland” geschrieben. Dieser ist am Fest des Hl. Petrus und Paulus veröffentlicht worden – vielleicht auch symbolhaft an einem solchen Tag, da zweier Christusnachfolger gedacht wird, die unterschiedlicher kaum sein können. Papst Franziskus twitterte an Ihrem Gedenktag:
"Die Heiligen Petrus und Paulus waren vor Gott transparent. In ihrem Leben verharrten sie bis zum Ende in dieser Demut: Sie verstanden, dass die Heiligkeit nicht darin liegt, sich selbst zu erhöhen, sondern darin, sich zu erniedrigen."
Den Brief von Papst Franziskus können Sie hier herunterladen.
Ich übernehme bewusst nicht die Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz, mit der dieser Brief veröffentlicht wird.
So habe ich mir zunächst einmal die Zeit genommen, dieses Schreiben selbst durchzulesen. Einige Stellen des Briefes kommen einem bekannt vor; Franziskus hat dafür Sorge getragen, dass in Fußnoten reichlich Quellenhinweise enthalten sind.
Ich will nur ein Punkte benennen, die ich so auf den ersten Blick spannend finde:
Unter 3., Seite vier, schreibt der Papst:
“Um dieser Situation zu begegnen, haben Eure Bischöfe einen synodalen Weg vorgeschlagen. Was dieser konkret bedeutet und wie er sich entwickelt, wird sicherlich noch tiefer in Betracht gezogen werden müssen. Meinerseits habe ich meine Betrachtungen zum Thema Synodalität anlässlich der Feier des 50-jährigen Bestehens der Bischofssynode dargelegt. Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes.”
> Ich meine da herauszulesen, dass der Papst hier feststellt, dass die deutschen Bischöfe diesen “Synodalen Weg” in einer verwaltungstechnischen Kollegialität sehen, als vielmehr den Geist wirken zu lassen. Er führt das dann in seinem Schreiben noch ein bisserl weiter aus.
Seite 5:
“Die aktuellen Herausforderungen sowie die Antworten, die wir geben, verlangen im Blick auf die Entwicklung eines gesunden aggiornamento «einen langen Reifungsprozess und die Zusammenarbeit eines ganzen Volkes über Jahre hinweg».
> Hinter diesem Zitat steckt Yves Congar in “Vera e falsa riforma nella Chiesa, 259.” – ein Konzilstheologe, auf den sich unser Bischof Peter Kohlgraf spezialisiert hat (Buch: “Nur eine dienende Kirche dient der Welt”).
Nr. 5, Seite 6 und 7:
“(…) eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich darin bestehe zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen. «Es handelt sich um eine Art neuen Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen (vgl. Evangelii gaudium)».”
> Ja, da denke ich an den Bistumsprozess in unsrem Bistum Mainz. Es wird sich zwar redlich bemüht eine geistliche Komponente in den Vordergrund zu stellen, aber eben diese Gespräche über die Strukturen und Zentralisierung stehen doch sehr im Vordergrund.
Nr. 6, Seite 8:
“Daher erscheint es mir wichtig, das nicht aus den Augen zu verlieren, was «die Kirche wiederholt gelehrt hat, dass wir nicht durch unsere Werke oder unsere Anstrengungen gerechtfertigt werden, sondern durch die Gnade des Herrn, der die Initiative ergreift». Ohne diese Dimension der göttlichen Tugenden laufen wir Gefahr, in den verschiedenen Erneuerungsbestrebungen das zu wiederholen, was heute die kirchliche Gemeinschaft daran hindert, die barmherzige Liebe Gottes zu verkündigen.
(…) Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, und lediglich auf die eigenen Kräfte, die eigenen Methoden und die eigene Intelligenz vertraute, endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten.”
> Und dann, weil es mir eine der Schlüsselaussagen von Papst Franziskus auch in Bezug auf unsren Bistumsprozess erscheint, Seite 9:
“Das gegenwärtige Bild der Lage erlaubt uns nicht, den Blick dafür zu verlieren, dass unsere Sendung sich nicht an Prognosen, Berechnungen oder ermutigenden oder entmutigenden Umfragen festmacht, und zwar weder auf kirchlicher, noch auf politischer, ökonomischer oder sozialer Ebene und ebenso wenig an erfolgreichen Ergebnissen unserer Pastoralplanungen. Alles das ist von Bedeutung, auch diese Dinge zu werten, hinzuhören, auszuwerten und zu beachten; in sich jedoch erschöpft sich darin nicht unser Gläubig-Sein. Unsere Sendung und unser Daseinsgrund wurzelt darin, dass «Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben» (Joh 3,16).
«Ohne neues Leben und echten, vom Evangelium inspirierten Geist, ohne „Treue der Kirche gegenüber ihrer eigenen Berufung“ wird jegliche neue Struktur in kurzer Zeit verderben». Deshalb kann der bevorstehende Wandlungsprozess nicht ausschließlich reagierend auf äußere Fakten und Notwendigkeiten antworten, wie es zum Beispiel der starke Rückgang der Geburtenzahl und die Überalterung der Gemeinden sind, die nicht erlauben, einen normalen Generationenwechsel ins Auge zu fassen. Objektive und gültige Ursachen würden jedoch, werden sie isoliert vom Geheimnis der Kirche betrachtet, eine lediglich reaktive Haltung – sowohl positiv wie negativ – begünstigen und anregen. Ein wahrer Wandlungsprozess beantwortet, stellt aber zugleich auch Anforderungen, die unserem Christ-Sein und der ureigenen Dynamik der Evangelisierung der Kirche entspringen; ein solcher Prozess verlangt eine pastorale Bekehrung. Wir werden aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die darauf abzielt, das Evangelium zu leben und transparent zu machen, indem sie mit «dem grauen Pragmatismus des täglichen Lebens der Kirche bricht, in dem anscheinend alles normal abläuft, aber in Wirklichkeit der Glaube nachlässt und ins Schäbige absinkt». Pastorale Bekehrung ruft uns in Erinnerung, dass die Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein muss, unter dem wir alle Schritte erkennen können, die wir als kirchliche Gemeinschaft gerufen sind in Gang zu setzen gerufen sind; Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche.”
> Das ist für mich ein wesentlicher Punkt: Wir müssen lernen, das Evangelium zu leben und transparent zu machen. Wir sind doch zu einer Hoffnung in Jesus Christus berufen!
Nr. 7. Seite 11:
“Verstimmung, Apathie, Bitterkeit, Kritiksucht sowie Traurigkeit sind keine guten Zeichen oder Ratgeber; vielmehr gibt es Zeiten in denen «die Traurigkeit mitunter mit Undankbarkeit zu tun hat: Man ist so in sich selbst verschlossen, dass man unfähig wird, die Geschenke Gottes anzuerkennen»”
Nr. 8, Seite 11:
“Deshalb muss unser Hauptaugenmerk sein, wie wir diese Freude mitteilen: indem wir uns öffnen und hinausgehen, um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind. Der Herr drückte sich klar aus: «Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben» (Mt 6,33).”
Nr. 9, Seite 12:
Die Ausführungen zur Weltkirche <–> Teilkirchen lenkt den Blick auf den “Sensus Ecclesiae”, dem ‘tiefen Kirchensinn’:
“Der Sensus Ecclesiae befreit uns von Eigenbrötelei und ideologischen Tendenzen, um uns einen Geschmack dieser Gewissheit des Zweiten Vatikanischen Konzils zu geben, als es bekräftigte, dass die Salbung des Heiligen (vgl. 1 Joh 2,20. 27) zur Gesamtheit der Gläubigen gehört. Die Gemeinschaft mit dem heiligen und treuen Volk Gottes, dem Träger der Salbung, hält die Hoffnung und die Gewissheit am Leben, dass der Herr an unserer Seite wandelt und dass er es ist, der unsere Schritte stützt.
Nr. 10, Seite 15:
“Deshalb achtet aufmerksam auf jede Versuchung, die dazu führt, das Volk Gottes auf eine erleuchtete Gruppe reduzieren zu wollen, die nicht erlaubt, die unscheinbare, zerstreuteHeiligkeit zu sehen, sich an ihr zu freuen und dafür zu danken. Diese Heiligkeit, die da lebt «im geduldigen Volk Gottes: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. In dieser Beständigkeit eines tagtäglichen Voranschreitens sehe ich die Heiligkeit der streitenden Kirche. Oft ist das die Heiligkeit „von nebenan“, derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind».”
Nr. 12, Seite 18:
“Im Grunde genommen ermöglichen uns diese Geisteshaltungen – wahre geistliche Heilmittel (Gebet, Buße und Anbetung) –, noch einmal zu erfahren, dass Christ-Sein bedeutet, sich selig und gesegnet und somit Träger der Glückseligkeit für die anderen zu wissen. Christ-Sein bedeutet, der Kirche der Seligpreisungen für die Seliggepriesenen von heute anzugehören: die Armen, die Hungrigen, die Weinenden, die Gehassten, die Ausgeschlossenen und die Beschimpften (vgl. Lk 6,20–23). Vergessen wir nicht: «In den Seligpreisungen zeigt der Herr uns den Weg. Wenn wir den Weg der Seligpreisungen gehen, können wir zum wahrsten menschlichen und göttlichen Glück gelangen. Die Seligpreisungen sind der Spiegel, der uns mit einem Blick darauf kundtut, ob wir auf einem richtigen Weg gehen: Dieser Spiegellügt nicht»!”
Nr. 13, Schlussformel:
“Seine Liebe «erlaubt uns, das Haupt zu erheben und neu zu beginnen. Fliehen wir nicht vor der Auferstehung Jesu, geben wir uns niemals geschlagen, was auch immer geschehen mag.
Nichts soll stärker sein als sein Leben, das uns vorantreibt!»”
> Amen!
Durchaus eine gelungene Sonntagslektüre, die uns Papst Franziskus hat zukommen lassen, wenn auch ohne Überraschungen.
Statement von Bischof Kohlgraf:
“Sehr geehrte, liebe Schwestern und Brüder,
Papst Franziskus hat an alle Gläubigen der katholischen Kirche in Deutschland zum heutigen Datum einen Brief geschrieben, den ich Ihnen gerne weitergebe. Hintergrund sind die Planungen eines „Synodalen Weges“, den die Deutsche Bischofskonferenz zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken geplant hat und mit Ihnen, dem Volk Gottes, gemeinsam gehen will. Ich sehe in den Aussagen des Papstes über den Blick auf den „Synodalen Weg“ hinaus auch wichtige Weisungen für unseren „Pastoralen Weg“ im Bistum Mainz. Daher empfehle ich das Schreiben des Papstes der aufmerksamen Lektüre und ermutige, seine Themen in unseren Gesprächen aufzugreifen und zu beherzigen.
Allen, die sich in den Urlaub aufmachen, wünsche ich eine gesegnete und erholsame Zeit, Ihnen allen Gottes Segen.
Ihr
Peter Kohlgraf
Bischof von Mainz”
> Auch dem ist nichts hinzuzufügen: Frohe Urlaubszeit.
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